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... und ein bisschen Satire

 

Aus dem Leben eines
I d e a l i s t e n

Verehrte Webseiten-Besucher, liebe Leser, seit Ende des Jahres 2010 habe ich, Rüdiger N. Aboreas, das 60. Lebensjahr erreicht. Ich denke, dass es da erlaubt sein sollte, schon einmal Rückschau zu halten. Nein, nicht in einer strengen zeitlich geordneten Biografie, sondern ungeordnet, je nach Laune und Intuition.Hier mal ein Bröckchen, dort mal ein Becherlein. Es Lesen sie weiter.

 Folge 3 - Harzer Impression.

Ölbilder, Aquarelle, Raku-Keramik - Horst Stockdreher lädt ein zur Vernissage am 2. De- zember 2011 um 20:00 Uhr in die Galerie DulsArt. Werkstattgespräch am 7. 12. um 19:00 Uhr

KulturStammtisch:
8. 12., I9:00, dulsArt

Der Dulsberg lebt auf und feiert die    E R Ö F F N U N G des café dulsBerg Straßburger Platz 9 - 22049 Hamburg am 1. Dezember, 11:00 Uhr.

Biografisches, Teil 2.                                                                                      

Schicksalstage

Nicht mehr als 15 Monate gingen nach meiner Geburt ins Land, dann kam 1952 mein Bruder Dieter auf die Welt. Das junge Glück der vervollkommnten Familie schien perfekt. Durch Vaters Beschäftigung bei den Stadtwerken war eine gewisse Lebenssicherheit gegeben. Und fürs Dazuverdienen war im zerstörten Nachkriegsdeutschland massenhaft Gelegenheit. Wovon mein Vater von Anfang an mächtig Gebrauch machte. Es musste nach all den Kriegswirren für das Paar ein lichtes, von Zuversicht getragenes Leben gewesen sein, jedenfalls für eine kurze, schöne Zeit, wie man hoffen darf. Mögen ihre Maßstäbe andere gewesen sein als die unseren heutzutage. Mir fehlen die Erinnerungen
Die setzen mit einer Szene meiner Mutter aus den frühen Fünfzigerjahren ein. Ich sehe sie noch heute aufrecht im Bett sitzen. Sie fummelte einen Groschen aus ihrer Geldbörse, um den ich sie gebeten hatte, weil ich mir einen so
genannten
„Braunen Kuchen“ kaufen wollte. Es handelte sich dabei um die damals ortstypische Version einer Rumkugel. Meine Mutter folgte meinem Wunsch mit nur einer Hand, denn sie war schwer krank und hatte die Amputation eines Armes über sich ergehen lassen müssen. Diese Wahrnehmung ihrer Behinderung hat merkwürdigerweise in meiner Erinnerung nie die Spur einer Emotion ausgelöst. 

Nicht lange und das Schicksal schlug noch unerbittlicher zu. Denn die Krankheit schritt weiter voran. Jetzt sollte meiner Mutter ein Bein amputiert werden. Sie starb am 12. Juli 1954 im Alter von 23 Jahren an Knochenkrebs. Meine Lebenszeit damals: 3 Jahre und 7 Monate. Sie hatte in den Nächten geschrieen: „Ich will noch nicht sterben!“, wie mir viele Jahre später von einer Tante erzählt wurde. Ängste, die in meinem Leben noch eine lange, fürchterliche, für mich freilich unerklärbare Rolle spielen sollten.

Es gab in der Familie über all die Jahre nur geringfügige Informationen, die ihre Krankheit betrafen. Dass sie in Bad Grund aus dem Apfelbaum gefallen und der Knochenkrebs an der schon verheilt geglaubten Verletzung ausgebrochen sei. Dass der Uran-Abbau im Harz letztendlich die Ursache gewesen wäre … Wie auch immer, die Infos oder Mutmaßungen erreichten mich spärlich und erst an der Grenze zum Erwachsensein.

So gut wie nie sollte sie Gegenstand von Gesprächen werden auf den später zumeist lustig-fröhlichen Familienfesten, an denen oft 20, 30 und mehr Personen teilnahmen. Begriffen hatte ich die Nichtexistenz meiner Mutter nicht. Doch wie soll man etwas begreifen, das einfach keinen

Zugang zu einer kindlichen Welt findet, ja, denn die verstorbene Mutter hat ganz einfach nicht stattgefunden, als wäre sie mit einem Löschblatt herausgesaugt worden aus dem Familienverlauf. Wie im täglichen Leben, egal ob in der Schule, im Sportverein oder eben in der Familie. Nicht anders verhält es sich ja auch im Kontext größerer Zusammenhänge wie mit der kulturellen Orientierung, der Berufswahl oder beispielsweise mit der Politik. Man beschreitet und bearbeitet in aller Regel vorhandene Pfade. Als Angehöriger der Arbeiterklasse, um es mal mit einem marxistischen Begriff zu sagen, war man eben nicht darauf ausgerichtet, nach Neuem, Unbekanntem, nach eigenen Wegen zu suchen. Auf die eigentliche Ursache für diesen Ausschluss aus dem kollektiven familiären Gedächtnis werde ich in einem anderen Beitrag zu sprechen kommen

Immerhin blieb eine zweite, nicht minder emotionslose Szenenfolge an diese Zeit in mir haften. Bilder, die ich eigentlich nie direkt mit ihr in Verbindung brachte. Es handelt sich um ihre Beerdigung. Vielleicht hatte dies seine Ursache im zeitnahen Tod ihres Vaters, meines Großvaters. Er wurde am selben Ort beerdigt. Noch heute sehe ich vor meinem inneren Auge den schönen, waldigen, an einem Hang gelegenen Friedhof. Ich sehe Angehörige der Familie und andere dunkel gekleidete Menschen am Berg auf einem nach rechts verlaufenden terrassierten Weg sich drängen. Ich sehe linkerhand eine Hütte, ich sehe die Trauergemeinde auf der in der Hangmitte verlaufenden Treppe dem Ausgang zu schreiten, wie in Trance. Bis hierhin, nicht weiter. Das Ende, im wahrsten Sinne des Wortes. Bilder, die sich ungefähr vierzig Jahre später bewahrheiten sollten. Doch auch dies wird in einem anderen Teil meiner Aufzeichnungen beschrieben werden.

Diese kleinen Erinnerungen an das kurze Leben und den Tod meiner leiblichen Mutter stehen in meiner Rückschau an die Kindheit für sich, umschweben den Planeten Seele in den dunklen Sphären eines Weltalls, von dem wohl jeder von uns umgeben ist. Niemals riss die Verbindung ab, nie blieb das Nachgebliebene wirkungslos, ob unmerklich oder als eine Art sich auftürmendes polares, viel zu oft Angst einflößendes Himmelsfeuer.

Alle Erinnerungen, die darauf folgten, blieben irdisch, wuchsen sich wie bei jedem Menschen exponentiell zu einem sich individuell ausgestaltenden Garten aus, schließlich zu einem biologisch pulsierenden Planeten mit Atmos- und Stratosphäre: eine Wucht aus bunter, duftender, nährender, aber auch giftiger, stinkender, erstickender Biomasse.