auch noch ausgehalten, wie sie später erzählte. Doch handelte es sich hier nicht um einen einfachen Uniformierten, eine “Kostümierung”, die ihr ja aus der Nazi-Zeit durchaus vertraut war, sondern um einen ganz besonderen Soldaten, ganz offensichtlich um eine Art Untoten, wie das Mädchen vermutete, weil dieses menschliche Wesen rundherum schwarz war.
Im Versteck der Dorfbewohner freilich vermochte ihr Bericht die Untergangsstimmung für wenige Minuten in Vergessenheit geraten lassen. Mehr noch: Heiterkeit kam auf. Die Alten wussten natürlich von schwarzen Ami-Kriegern. Und die Jugend sollte die schwarzen Männer alsbald schätzen lernen, hatten sie doch stets eine Tafel Schokolade dabei. Über die nicht zuletzt daraus resultierenden Abhängigkeitsverhältnisse, vornehmlich von jungen Frauen und Mädchen, beließ es meine Stiefmutter immer mal wieder bei mehr oder weniger eindeutigen Andeutungen.
Hier, zwischen eher seichten, bewaldeten Hügeln und Bergen, sollte mein späterer Vater Wolfgang seine Ruth kennenlernen. Irgendwann, was für eine Sensation, kam der junge Mann sogar mit einem Motorrad in Bad Grund vorgefahren und nahm seine erste große Liebe mit in die so unfassbar zerbombte niedersächsische Landeshauptstadt.
Nicht lange und das junge Paar heiratete. Eine wie erlöst wirkende, im Aufbruch befindliche Nachkriegsstadt, eine sichere Arbeit, die Segnungen einer Ehe, da war der Weg frei für mich, das erste Kind dieses jungen Paares.
Die junge, glückliche Familie wohnte alsbald in einer schmucklosen Zwei-Zimmer-Neubauwohnung in der dritten Etage der Wallensteinstraße 3 im Stadtteil Ricklingen. Eine Wohnung, die wir, wie es hinter vorgehaltener Hand hieß, mit Hilfe unseres einflussreichen Onkels Willi bekommen hatten.
Genau vor dem Hauseingang hielt eine Straßenbahnlinie, die ihre Endstation am so genannten Mühlenberg besaß, wo sich ein riesiges, noch lang über die Zeit bestehendes Flüchtlings- und Ausgebombten-Lager ausbreitete. Eine Heerschar von tapferen, fleißigen, intelligenten und willigen, gleichwohl auch entwurzelten Menschen, die zum entbehrungsreichen, aber guten Gelingen des Aufbaus von Nachkriegsdeutschland und Nachkriegshannover einen großen Teil beigetragen haben.
|